Als Tatezi ein Welpe war, habe ich es genossen, ihre Tollpatschigkeit zu bewundern, wenn sie auf unseren kleinen Spaziergängen vor mit her gezottelt oder um mich herumgerannt ist. Es kam die Zeit, als aus dem runden Fellbündel ein schlaksiges Hundemädchen wurde und ihr Gang erinnerte mich an denjenigen von Menschenkindern, die während der Pubertät manchmal auch nicht wissen, was sie mit ihren überlangen Armen und Beinen anfangen sollen. Und eines Tages war sie plötzlich eine ausgewachsene Hündin, die Stolz erhobenen Hauptes vor mir hertrabte. In dieser Zeit allerdings an der Schleppleine, aber es war doch meist sie, die voraus ging.
Beim Verlassen oder Betreten des Hauses haben wir schon früh geübt, dass sie hinter mir zu gehen hat. Doch auf Spaziergängen? Wohl haben wir das hie und da ein bisschen geübt, aber nie konsequent. Denn was habe ich davon mit einem Hund spazieren zu gehen, der hinter mir hertrabt? Dann könnte ich ja genau so gut alleine durch Feld und Wald ziehen und das stinkt mir gewaltig.
Diesen Sommer habe ich Bücher des amerikanischen Hundeflüsterers Cesar Millan gelesen. Er, der wirklich auffällige, unausgeglichene und aggressive Hunde in treue Begleiter verwandeln kann, hat dafür ein einfaches Erfolgsrezept:
1. Bewegung (der Spaziergang)
2. Disziplin (Regeln und Grenzen)
3. Zuneigung
Und zwar genau in dieser Reihenfolge, wie er immer wieder, einem Mantra gleich, betont. Alles richtig gemacht, könnte ich jetzt frohlocken. Wenn da nicht das Spazieren wäre. Denn laut Millan geht der Rudelführer voran, konsequent, immer. Lasse ich also Tatezi auf unseren Spaziergängen zur Rudelführerin werden? Nur um dann zu Hause wieder Gehorsam von ihr zu erwarten? Verständlich, dass das verwirrend ist. Millan ist überzeugt davon, dass Hunde zufrieden sind, wenn sie genau wissen, wo in der Hierarchie eines Rudels sie stehen. Werden sie im Laufe eines Tages mehrmals vom Chef zum Underdog und umgekehrt, führt das zu Unausgeglichenheit und zu allerlei Problemen im Zusammenleben.
Ich möchte einen ausgeglichenen Hund, dem wohl ist in seiner Haut. Also habe ich ihr zuliebe damit begonnen, auf den Spaziergängen stets voran zu gehen. Sind wir alleine unterwegs, hat sie es relativ schnell kapiert. Mein Ziel ist aber, dass sie dereinst, wenn sie es auch unter schwierigen Umständen (Begegnungen mit anderen Hunden) kann, neben mir wird gehen dürfen. Soweit war alles klar. Bis sie vor 10 Tagen mehrmals erbrochen hat. Mir wurde schlagartig bewusst, dass ich, voraus gehend, nicht sehe, wenn sie unterwegs etwas frisst. Also was jetzt? Wer geht bei Euch mit wem spazieren? Wer ist Rudelführer und sagt wo es durch geht?
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