Auf den Hund gekommen

Erst gerade war doch noch bis zum Horizont nichts als flache Steppe. Tagelang. Und plötzlich tauchten kleine Hügelketten auf, wie Falten in der Bettdecke. Nach Guer Aike zog es uns westwärts nach El Calafate, die Strasse wurde kurviger, die Landschaft warf grössere Falten.

Mittags kamen wir in El Calfate an und haben auch bald ein Aparthotel gefunden. So konnten wir für einmal tun, was all die anderen Touristen auch tun: durch das Städtchen flanieren und draussen essen. Letzteres schätze ich besonders, denn so hat niemand etwas dagegen, dass Tatezi bei mir ist. Das Beste aber hob ich mir für den nächsten Tag auf: Den Besuch des Gletschers Perito Moreno.

Bei der Abfahrt in El Calafte konnte ich mir kaum vorstellen, dass nur knappe 80 Kilometer entfernt der mächtige Gletscher sein solle. Denn noch immer säumte Steppe die Strasse. Doch als wir um einen besonders grossen Hügel bogen, traute ich meinen Augen nicht. Am Horizont erhoben sich mächtige Schneeberge. Wie an einem klaren Föhntag die Alpen. Mir wurde warm ums Herz.

Auf einmal realisierte ich, dass mich der Anblick der Berge freute. Dabei ist mir zu Hause in der Schweiz nie wohl in den Bergen. Ich fühle mich dort eingeengt und es nimmt mir im wahrsten Sinne des Wortes den Atem: ich bekomme Asthma. Hier in Argentinien jedoch hat ihr Anblick ein Glücksgefühl in mir ausgelöst. Aus der Ferne. Ich habe mich gewundert, ob mir die schier endlose Steppe vielleicht nicht so ganz geheuer war, weil sie keine Leitplanken bot? Keinen schützenden Halt für davongaloppierende Gedanken aufwies?

Nach einem kurzen Spaziergang vom Parkplatz zur ersten Aussichtsplattform (wir durften natürlich nicht im Gratsshuttlebus mitfahren), waren wir Auge in Auge mit dem mächtigen, Ehrfurcht einflössenden Gletscher. Vier bis fünf Kilometer breit ist seine Zunge, von der in unregelmässigen Abständen riesige Eisnadeln in den Lago Argentino stürzen. Jeder Abbruch kündigt sich ein dumpfes Grollen an, ähnlich dem Stöhnen in alten Holzbalken. Manchmal lösen sich an verschiedenen Stellen gleichzeitig Eisstücke, manchmal ruht der Gletscher ein paar Minuten aus. Ich war einfach überwältigt von diesem kraftvollen Naturwunder.