Etwas habe ich in diesen Wochen des Reisens von Tag zu Tag mehr vermisst: Papier in Händen zu halten, das ich lesen kann. Und zwar keinen Reiseführer. Wohl habe ich mich via Internet sehr sporadisch über das Weltgeschehen informiert, aber davon geht nicht die gleiche Sinnlichkeit aus, wie wenn ich mich gemütlich in einen Sessel fläze, einen spannenden Krimi verschlinge und ab und zu einen Schluck Wein oder Cointreau schlürfe.
Die Tage in Osorno habe ich deshalb genutzt um eine Buchhandlung zu suchen und finden. Ich war davon überzeugt, irgend etwas Englisches aufzustöbern. Aber ausser einem riesigen Bildband war nichts am Lager. Ich wollte das Geschäft schon verlassen, als mein Blick auf deutsche Kinderbücher fiel und ich deshalb auch noch nach Literatur auf Deutsch gefragt habe. Und tatsächlich, es gab ein Buch in Deutsch! Sein Titel „Neue Heimat“ liess mich zwar nicht gerade ein literarisches Kunstwerk erwarten, aber ich griff gierig zu.
So setzte ich mich abends mit dem Buch in mein Lieblingskaffe und war schon bald gefangen in Marta Werners Erzählung, die halb Dichtung, halb Wahrheit, vom mühsamen Überlebenskampf der ersten deutschen Kolonisten, die 1852 am See Llanquihue angelangt waren, berichtet. Dieser See liegt nur 40 Kilometer von Osorno entfernt und je weiter ich im Buch las, umso öfter stiess ich auf Namen, zum Beispiel Strassennamen in Osorno oder Ortsnamen, die mir von der Landkarte her bekannt vorkamen. Das versetzte mich in eine eigenartige Stimmung. Ich pendelte in der Fantasie ständig zwischen der Vergangenheit, wo erst mühsam mit der Axt ein Weg geschlagen werden musste, um zu dem zugeteilten Stück Land, das undurchdringlicher Urwald war, zu gelangen und der Gegenwart, in der ich mich um ein Auto bemühte.
Fasziniert las ich von den Anstrengungen der Einwanderer sich eine Existenz aufzubauen. Wie sie erst ein Stück Urwald roden mussten um darauf eine winzige Hütte zu bauen, dabei am Anfang nicht einmal gewusst hatten, wie man einen Baum fällt. Wie nach und nach Weizen gesät und schliesslich ein richtiges Haus gebaut werden konnte.
Der erste Ausflug mit unserem Jeep führte uns nach dem am Llanquihue-See gelegenen Frutillar und damit an den Ursprung dieser deutschen Kolonie. Noch heute stösst man allenthalben auf deutsche Namen: so heisst zum Beispiel das Hotel, in dem wir ohne Probleme mit Tatezi aufgenommen wurden, ja sie sogar mit ins Restaurant nehmen durften, „Residenz am See“. Daneben wird Kuchen angeboten und auf der Speisekarte finden sich Bratwürste und Bratkartoffeln.
Wir waren so glücklich ohne Probleme eine Unterkunft gefunden zu haben, dass wir gleich 2 Nächte geblieben sind. Und auch weil uns die Aussicht aus unserem Zimmer auf den See und den dahinter liegenden Vulkan Osorno einfach fasziniert hat. Am Strand liess sich herrlich mit Tatezi spielen. Und ganz in der Nähe haben wir ein entzückendes Teehaus gefunden, in dem wir Kuchen und Lavendeltee genossen haben. Wir haben uns richtig verwöhnt.
Wie schön, dass es Euch so gut geht! Genießt die Zeit weiterhin gemeinsam und ich stelle mir das auch sehr spannend vor, dies Buch dort zu lesen, wo für Euch gewissermaßen auch „Neuland“ ist