Die Einsamkeit auf der Schotterstrasse

1. März 2011 von Christine

Jetzt weiss ich, warum die Schotterstrassen Patagoniens so einen schlechten Ruf haben. Für die 134 Kilometer von Punto Tomba nach Camarones brauchte ich mehr als drei Stunden. Bei der Ankunft war mein T-Shirt schweissnass. Nicht weil es so heiss gewesen wäre. Nein, es war durchtränkt mit Angstschweiss.

Punto Tomba war ein Reinfall. 75 Kilometer bin ich von der Nationalstrasse abgewichen um die grösste Pinguinkolonie auf dem Festland des Kontinentes zu sehen. Doch ich hatte keine Chance mit Tatezi bis zur Absperrung zu gelangen. Der junge Mann am Eingang war sehr stur. Oder pflichtbewusst. Bei ihm am Schatten konnte ich sie auch nicht lassen.

Was jetzt? Die 75 Kilometer zurück zur Ruta 3 und dann noch zirka 320 Kilometer bis Comodore Rivadavia oder auf einer Schotterstrasse ins 134 Kilometer entfernte Camarones? Da mein Tank nur noch halbvoll war und ich mittlerweilen wusste, dass auf argentinischen Strassen die Tankstellen sehr dünn gesät sind, habe ich mich für die Schotterstrasse entschieden. Und damit für die längsten, einsamsten Stunden meines Lebens.

Zuerst habe ich mir nicht besonderes dabei gedacht, bin einfach vorsichtig gefahren und trotzdem immer wieder leicht ins Schleudern geraten. Irgendwann wurde mir bewusst, dass mir keine Autos entgegenkamen. Auch wurden wir weder überholt noch waren wir die Überholenden. Wir waren alleine unterwegs. Links und rechts, vorne und hinten nichts als Steppe. Von diesem Moment an sass mir die Angst im Nacken. Ich hörte jeden Knall eines auf die Karosserie aufprallenden Steines überdeutlich. Ich erinnerte mich gelesen zu haben, dass man in Patagonien besser zwei als ein Reserverad mitführen solle und den Radwechsel vor der Abreise mit Vorteil übe. Oh je! Ich habe noch nie im Leben ein Rad alleine gewechselt. Und selbst wenn ich gewusst hätte wie das geht, zweifle ich doch daran, das mit meinen kraftlosen Händen zu können.

Es waren nicht gerade angenehme Gedanken, die mir während dieser Fahrt durch den Kopf gingen. Nicht einmal die ab und zu auftauchenden Guanacos konnten mich aufmuntern. Ich habe mich unter anderem gefragt wie realistisch es sei, einen Traum aus Jugendtagen mit 60 in die Wirklichkeit umsetzen zu wollen. Auf dieser Strecke habe ich daran gezweifelt.

Ich habe mir ausgerechnet wie lange ich bei einer Panne zu Fuss brauchen würde, um Camarones zu erreichen. Es wären etwa 16 Stunden gewesen, als ich die Rechnung zum ersten Mal gemacht habe. Nach rund 2 ½ Stunden ist uns ein Auto begegnet – man begrüsst sich hier mit Lichthupe. Das war mir doch ein grosser Trost, zu wissen, dass doch ab und zu jemand vorbei kommen würde. Und als dann die Häuser von Camarones am Horizont auftauchten, da ging es mir wieder besser, ich konnte die Landschaft auf mich wirken lassen. Die Angst wich erst der Erleichterung und dann der Freude darüber, es geschafft zu haben. Alleine.

3 Kommentare zu „Die Einsamkeit auf der Schotterstrasse“

  1. GZi sagt:

    Wahnsinn, Christine, welche Abenteuer Du er- und durchlebst! Aber nein, Du warst nicht alleine!!! Deine treue Hündin war bei Dir!!! (und wir in Gedanken!) Sei herzlichst gegrüßt!

  2. Jacqueline sagt:

    Ja, solche Situationen kenne ich auch. Ich bin zwar immer zusammen mit Albi unterwegs, aber wenn wir am Ende der Welt auf einer mit spitzen Steinen übersähten Piste unterwegs sind, und das Reserverad bereits im Einsatz ist, und wirklich keine Menschenseele weit und breit ist, dann geht der Puls schon schneller.

    Aber das geht vorbei, und du kannst jetzt weiter deine Reise geniessen.

    Liebe Grüsse, Jacqueline

  3. Christine sagt:

    @Gesa::Danke für’s Mitfiebern!
    @Jaqueline: Umso grösser ist die Freude, es geschafft zu haben, oder?
    Mit liebem Gruss aus Argentinien
    Christine


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