Unerfreuliche Begegnung im Restaurant

12. Oktober 2009 von Christine

Mitten im Eingang des Restaurants sass er, dieser fette, alte Hund, dessen Augen ein kaltes Gelb hatten und mit denen er uns unfreundlich entgegen sah. Tatezi zog die Notbremse, ihre vorderen Beine steif und wie auf dem Boden festgeklebt. Ich redete auf sie ein, doch das half nichts. Meine Hündin wollte keinen Schritt mehr weiter gehen. Hinter dem Hund die Serviceangestellte, die mit der Speisekarte winkte und dazu ununterbrochen sagte: „Venez, venez“. Das hätte ich ja gerne getan, denn nach der langen Fahrt auf dem Weg in die Bretagne war ich hungrig und müde. Also machte ich den ersten Schritt und versuchte Tatezi hinter mir her zu ziehen. Aber ein tiefes, böses Knurren aus dem Rachen des alten Hundeherrn bremste mich sogleich. Mir dämmerte, dass meine Hündin wieder einmal schlauer als ich gewesen war und die Gefahr vor mir erkannt hatte! Die Serviceangestellte warf einen unsicheren, hilfesuchenden Blick zum Hundehalter, doch der liess sich drei Metern entfernt beim Essen nicht stören. Eine Raumunterteilung hat ihn vor meinem Blick verborgen, und einfach so laut in das Restaurant hinein rufen, das mochte ich nicht. Schliesslich bückte sich die Frau und wollte den Hund am Halsband zur Seite ziehen. Das hätte sie besser nicht getan und nur ihre blitzschnelle Reaktion hat sie davor bewahrt, dass die Zähne des zuschnappenden Hundes ihre Hand getroffen haben. Endlich geruhte der Hundehalter seinen Hund zu rufen und wir konnten gefahrlos zu unserem Tisch. Und ich sah, dass der Mann in einem Rollstuhl sass. Irgendwie hat mich das davor abgehalten, eine böse Bemerkung fallen zu lassen, doch ein nicht minder böser Verdacht keimte in meinem Kopf auf: Dürfen sich Rollstuhlfahrer mehr leisten als andere?

An unserem Tisch wartete bereits die nächste Unbill auf uns: dass unsere Tischnachbarn Hunde, vor allem in Restaurants, nicht mögen, war sofort dem kalten und verachtenden Blick an zu sehen, den uns der Mann entgegen warf. Seine Partnerin hingegen schenkte uns keine Beachtung, bückte sich jedoch um schnell ihre auf dem Boden stehende Handtasche aufzuheben. Als ob Tatezi sie stehlen würde! Tatezi hat sich mustergültig verhalten und sich gleich neben mich hingelegt um dort für die Zeit meines Essens zu bleiben. Ich habe in Restaurants schon Menschen gesehen, die sich bedeutend mehr daneben benommen haben. Denen ein lauter Rülpser entfahren ist, die mit Spagettisauce kleckern, Gabeln fallen lassen oder Rotwein über blütenweisse Tischtücher schütten.

Die Kälte, die vom Nachbartisch her ausstrahlte, war spürbar. Kaum ein Wort wechselte das Paar, die Frau hielt den Kopf meist gesenkt. Bis zu dem Moment, wo der Mann raus ging um eine Zigarette zu rauchen. Kaum war er weg, sah sie Tatezi an und ihr verhärmtes Gesicht erstrahlte in einem Lächeln. Mit lieber Stimme sprach sie auf meine Hündin ein und sah auch mir in die Augen. Es hätte wohl ein Gespräch begonnen, wenn nicht der Mann zurückgekommen wäre und die Temperatur wieder gefallen wäre. Wir blieben nicht lange. Draussen vor dem Restaurant bekam Tatezi ein grosses Stück von meinem „Faux filet“. Weil mir wieder einmal bewusst geworden war, was für eine gute, liebe Begleitung sie mir ist.
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2 Kommentare zu „Unerfreuliche Begegnung im Restaurant“

  1. DIVA sagt:

    Ich finde, das Rollstuhlfahrer sich nicht mehr erlauben dürfen als andere. Auch ihre Hunde sollten, wenn sie Herrchen oder Frauchen ins Lokal begleiten gut erzogen sein.

    Ob der Besitzer behindert ist oder nicht, jeder Hund sollte ein Mindestmaß an Erziehung besitzen.
    ( P.S. Mein Frauchen ist auch behindert, fast blind)

  2. Christine sagt:

    @ DIVA: sag Deinem Frauchen ich hätte nichts gegen Menschen mit einer Behinderung. Und zwar nicht erst seit ich selber auch den Invalidenausweis wegen meiner chronischen Polyarhritis habe.

    Und ein grosses Merci Euch beiden für Eure Kommentare!
    Christine


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