Platz da!

31. Mai 2009 von Christine

Ein guter Freund, der vor rund 30 Jahren in die USA ausgewandert ist, wundert sich bei seinen Besuchen in der Schweiz immer über die hiesigen Aggressionen. Auf der Strasse. In Gesprächen. Im Leben allgemein. Sein Fazit: wir leben so eng aufeinander, dass es zwangsläufig zu Reibereien kommen muss. Mir war das eigentlich gar nicht bewusst, doch in den letzten 10 Tagen musste ich mehrmals an seine Worte denken. Etwa als mir auf einem Feldweg 10 bis 12 Pferde mit Reiterinnen begegneten. Immer schön zwei Pferde nebeneinander kamen sie daher, eine geballte Ladung Kraft, die bedrohlich wirkte auf dem schmalen Weg. Tatezi hat ja ein Problem mit Ross und Reiter (siehe Die Macht der Gene), doch gelingt uns mittlerweilen das Kreuzen mit einem einzelnen Pferd ganz gut, sogar auf schmalen Wegen. Auch die Begegnung mit zwei Pferden, wenn sie hintereinander gehen, schaffen wir heute meist problemlos. Doch eine halbe Karawane? Mir wurde ungemütlich und ich trat den Rückzug in das hohe Gras neben dem Weg an. Zwei bis drei Meter im Abseits habe ich sie ins Sitz genommen und wir wollten in Ruhe den Durchgang der Pferde abwarten.

Die Pferde kamen näher, immer noch zu zweit nebeneinander. Auf meiner Höhe hielten sie an und die Anführerin schrie mich an: „He, sie, das ist unser Heugras! Wenn da jeder einfach hineintreten würde, könnten wir es nicht mehr brauchen.“ Mein Adrenalinspiegel schoss noch mehr in die Höhe, Tatezi, die bis anhin ganz brav neben mir gesessen war, sprang auf riss wie wild an der Leine und ich schrie zurück: „Was soll ich denn sonst tun?“ Die Reiterin weiss um Tatezis Probleme mit Pferden hat und hat gleich noch eines drauf gegeben: „Ich glaube, Sie haben Angst vor Pferden und gar nicht ihr Hund.“ Ich muss zugeben, so viele Pferde, so nahe beieinander, die nur Zentimeter neben mir durchgeritten wären, hätten auch bei mir ungute Gefühle ausgelöst. Pferde sind Fluchttiere und wer weiss, wie sie reagiert hätten, wenn Tatezi plötzlich gebellt hätte? Hätte eines ausgeschlagen, wäre wohl Tatezi Kopf zertrümmert gewesen oder mein Bein gebrochen. Hoch zu Pferd, von oben herab, lässt sich gut über die Ängste der Fussgänger spotten.

Ein paar Tage später brach ein gewaltiges Gewitter los und es goss wie aus Kübeln. Auf unserem Morgenspaziergang sahen wir, was das Unwetter alles angerichtet hatte: Äste lagen auf der Strasse, kleine Bäume waren entwurzelt und das Heugras der Reiterin war zu Boden gedrückt worden. Im Stillen habe ich mich gefragt, ob diese Dame jetzt die höhere Macht auch angeschnauzt habe: „He, Sie, das ist unser Heugras.“

1 Kommentar zu „Platz da!“

  1. Anja sagt:

    Leider gibt es immer wieder unter Reitern und auch unter den Hundehaltern unmögliche, rücksichtslose Menschen.
    Zum Glück sind nicht alle so!


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